Warum passives Investieren gefährlicher ist, als viele denken – Ray Dalios eindringliche Warnung

© 2025 Andreas Heinz - (Bild wurde mit KI generiert)

Passives Investieren gilt als sicher und günstig. Indexfonds erfreuen sich deshalb großer Beliebtheit, da sie einfache und kosteneffiziente Zugänge zu den Kapitalmärkten bieten. Doch gerade diese scheinbare Unauffälligkeit macht sie gefährlich, wenn Anleger ihre Wirkung falsch einschätzen. Einer der bekanntesten Kritiker dieser Entwicklung ist der US-amerikanische Hedgefondsmanager Ray Dalio, Gründer von Bridgewater Associates. Seine Warnung lautet: Passives Investieren ist nicht so harmlos, wie es scheint, es birgt strukturelle Risiken, die die Stabilität des Finanzsystems untergraben können.

Dalios Kritik ist keine Ablehnung des Konzepts an sich. Er erkennt durchaus an, dass Indexfonds in bestimmten Kontexten ihren Platz haben. Doch was ihn beunruhigt, ist die wachsende Dominanz passiver Strategien im globalen Kapitalmarkt. Diese Entwicklung hat aus seiner Sicht eine Dynamik entfaltet, die Anlegern nicht bewusst ist und die zu gefährlichen Fehlentwicklungen führen kann.

 

Marktkapitalisierung ersetzt Analyse – ein strukturelles Problem

Ein zentrales Argument von Dalio betrifft die Kapitalflusslogik passiver Fonds. Diese investieren in Unternehmen nicht auf Grundlage wirtschaftlicher Fundamentaldaten, sondern schlicht nach deren Gewicht im Index, das heißt, je höher die Marktkapitalisierung eines Unternehmens, desto mehr Kapital wird ihm zugewiesen. Diese Mechanik führt dazu, dass populäre, bereits stark gestiegene Aktien überproportional Kapitalzuflüsse erhalten, unabhängig davon, ob diese Unternehmen fundamental überbewertet sind.

Dieses Verhalten erzeugt eine gefährliche Reflexivität: Kapitalflüsse treiben Kurse, steigende Kurse erhöhen das Indexgewicht, was zu weiteren Kapitalzuflüssen führt. In der Folge kann eine kleine Gruppe von Aktien eine übermäßige Marktmacht erhalten, wie derzeit etwa bei den „Magnificent Seven“, die einen erheblichen Anteil am MSCI World und S&P 500 ausmachen. Dadurch wird nicht nur die Marktbreite ausgehöhlt, sondern auch die Diversifikation, auf die sich viele Anleger blind verlassen.

 

Die Illusion der Diversifikation

Viele Anleger glauben, mit einem ETF auf den MSCI World oder S&P 500 automatisch breit diversifiziert zu sein. Doch diese Annahme ist trügerisch. Ray Dalio betont, dass eine effektive Diversifikation nicht auf der Anzahl der Positionen beruht, sondern auf der Korrelation zwischen ihnen. Wenn ein Index von wenigen Titeln dominiert wird, erhöht sich die Klumpenbildung und damit das Risiko.

Ich habe auf diese Problematik ausführlich in meinem 2024 erschienenen Buch „Die Champions Strategie – Von der Idee zur eigenen Anlagestrategie“ hingewiesen. Dort zeige ich unter anderem, dass die zehn größten Unternehmen mittlerweile rund 35 % der Marktkapitalisierung im S&P 500 ausmachen (Stand: Februar 2024), während der langjährige Durchschnitt bei etwa 20 % lag. Auch im MSCI World entfallen über 70 % der Gewichtung auf US-Unternehmen. Eine vermeintlich globale Streuung reduziert sich damit faktisch auf eine US- und technologiezentrierte Wette mit steigender Korrelation innerhalb weniger Branchen. Die Folge ist eine strukturelle Verzerrung, die das Klumpenrisiko erheblich erhöht, vergleichbar mit der Dotcom-Blase Ende der 1990er Jahre, als ebenfalls wenige Tech-Giganten die Indizes dominierten.

Fragen Sie sich einmal selbst: Glauben Sie wirklich, dass Ihr ETF Sie vor allen Risiken schützt, oder haben Sie unbewusst genau in jene Aktien investiert, die ohnehin schon überrepräsentiert sind?

 

Systemische Risiken bei Marktkorrekturen – aus der Theorie in die Praxis

Ein weiterer kritischer Punkt betrifft das Verhalten passiver Fonds in Stressphasen. Passive Anleger verkaufen in der Regel nicht selektiv, sondern vollständig. Bei Marktkorrekturen kann dies dazu führen, dass große Mengen Kapital gleichzeitig abgezogen werden, nicht aufgrund fundamentaler Veränderungen, sondern durch Indexmechanismen.

Ein prägnantes Beispiel war die Marktturbulenz im März 2020, als im Zuge der Corona-Panik massive Mittelabflüsse aus ETFs stattfanden. Die Verkaufswellen trafen nicht nur riskante Segmente, sondern auch eigentlich solide Unternehmensanleihen. BlackRock und State Street mussten für mehrere ihrer größten Fonds temporäre Liquiditätsmaßnahmen ergreifen. Auch in der Finanzkrise 2008 zeigte sich, dass Indexfonds in stressreichen Marktphasen nicht stabilisierend wirkten, sondern durch synchronisierte Verkäufe die Abwärtsdynamik verstärken konnten.

Dalio warnt deshalb vor einer Unterschätzung der systemischen Risiken, die aus der Struktur passiven Investierens entstehen. Wenn Milliarden gleichzeitig in dieselbe Richtung strömen, wird aus Passivität eine systemische Kraft.

 

Der Verlust adaptiver Steuerung

Passives Investieren verzichtet bewusst auf aktive Steuerung. Das bedeutet aber auch: Es gibt keine Reaktion auf geopolitische Risiken, makroökonomische Veränderungen oder fundamentale Überbewertungen. Während aktive Strategien Risiken analysieren, bewerten und gegebenenfalls gegensteuern, bleiben passive Fonds starr. Aus Dalios Sicht ist dies ein gravierender Nachteil, insbesondere in einer Welt, die durch Unsicherheiten, Zinswenden und geopolitische Spannungen geprägt ist.

Wer sich ausschließlich auf Indexprodukte verlässt, verzichtet auf jede Möglichkeit, Chancen gezielt zu nutzen oder Risiken antizipierend zu begrenzen. Die vermeintliche Objektivität wird zur strategischen Schwäche, denn die Märkte sind nicht neutral, sondern werden durch Verhalten, Kapitalflüsse und strukturelle Verzerrungen geprägt.

 

Passivität ist kein Schutzschild

Ray Dalios Warnung ist ein Appell zur kritischen Auseinandersetzung. Nicht gegen ETFs oder Indexstrategien als solche, sondern gegen die Illusion, diese seien automatisch sicher und überlegen. Passives Investieren kann Teil einer überlegten Strategie sein, darf aber nie zur Ersatzreligion werden. Wer seine Kapitalallokation ausschließlich an Indizes koppelt, gibt Kontrolle ab und nimmt systemische Risiken in Kauf, die sich langfristig negativ auswirken können.

Gerade in einer Welt, die sich dynamisch verändert, braucht es ein aktives Risikomanagement, eine kritische Analyse und die Fähigkeit, Strategien flexibel anzupassen. Das erfordert mehr als nur einen ETF-Sparplan, es erfordert ein Verständnis für die Mechanismen hinter den Märkten. Wer passiv investiert, sollte sich dieser Verantwortung bewusst sein. Andernfalls riskiert er, Teil eines Problems zu werden, das die Märkte ins Wanken bringen kann.

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