Aktien für die Ewigkeit – ein gefährlicher Mythos

© 2025 Andreas Heinz - (Bild wurde mit KI generiert)

Immer wieder begegnet man in der Finanzwelt dem wohlklingenden Versprechen von „Aktien für die Ewigkeit“. Dahinter steht die Vorstellung, dass es einzelne Unternehmen gebe, deren Aktien man einmal kauft und für den Rest seines Lebens hält, ein vermeintlich simpler Weg zur finanziellen Freiheit, frei von Timing, Analyse oder aktiver Steuerung. Doch diese Idee ist ein Trugbild. Wer sich auf historische Fakten stützt, erkennt schnell, dass der Begriff „Ewigkeitsaktie“ vor allem eines ist: rückwärtsgewandte Romantik, die mit der Realität wenig zu tun hat.

In der Praxis existiert kaum ein Unternehmen, das über Jahrzehnte hinweg dauerhaft floriert. Zu groß ist der strukturelle Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft, zu tiefgreifend die Innovationszyklen in Industrie und Technologie. Der Kapitalismus lebt von Veränderung und damit auch von der kreativen Zerstörung bestehender Marktstrukturen. Unternehmen entstehen, wachsen, stagnieren und verschwinden. Diese Dynamik lässt sich nicht aufhalten, schon gar nicht durch einen gut gemeinten Börsenslogan.

Eine der fundiertesten Studien zu diesem Thema stammt von Hendrik Bessembinder, der 2018 über 26.000 US-Aktien aus dem Zeitraum von 1926 bis 2016 untersuchte. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Nur etwa 4 Prozent aller Aktien waren für den gesamten realen Nettowertzuwachs am US-Aktienmarkt verantwortlich. Das bedeutet umgekehrt, dass 96 Prozent der Aktien langfristig keine höhere Rendite erzielten als kurzfristige Staatsanleihen. Etwa die Hälfte der untersuchten Aktien lieferte sogar ein negatives Gesamtergebnis. Der statistische Beweis ist damit eindeutig: Die überwiegende Mehrheit aller Unternehmen eignet sich nicht für ein sogenanntes Buy-and-Hold über Jahrzehnte.

Selbst jene Unternehmen, die heute gern als Paradebeispiele für „Aktien für die Ewigkeit“ genannt werden, haben oft einen volatilen, risikobehafteten oder enttäuschenden Kursverlauf hinter sich. Kodak war über Jahrzehnte ein Weltkonzern, bis der digitale Wandel ignoriert wurde und das Unternehmen in die Insolvenz ging. General Electric galt als Ikone amerikanischer Ingenieurskunst, heute ist es ein Schatten seiner selbst. IBM, lange Zeit ein Technologie-Primus, konnte sich seit den 1990er-Jahren nicht gegen agilere Konkurrenten behaupten. Auch die Deutsche Bank zeigt eindrücklich, dass Größe und Historie kein Garant für Wertsteigerung sind: Wer Anfang der 1990er-Jahre investierte, hat bis heute kaum reale Kursgewinne erzielt, trotz Dividenden und vermeintlich günstiger Einstiegspunkte.

Ein weiterer Faktor ist die hohe Dynamik der Indexzusammensetzungen. Der S&P 500, Inbegriff der amerikanischen Wirtschaftskraft, zeigt deutlich, wie selten Unternehmen über mehrere Jahrzehnte im Spitzenfeld bleiben. Von den Unternehmen, die 1980 im Index vertreten waren, sind im Jahr 2020 nur noch etwa ein Dutzend übrig geblieben. Die meisten wurden übernommen, gingen insolvent oder verloren ihre Relevanz. Dieser ständige Wandel wird im langfristigen Chart des S&P 500 unsichtbar, da er laufend bereinigt wird, ein typischer Fall von Survivorship Bias. Anleger, die auf einzelne Aktien setzen, sind diesem Risiko voll ausgesetzt.

Hinzu kommt, dass viele Unternehmen ihren Aufstieg nicht durch lineares Wachstum erleben, sondern durch Phasen plötzlicher Expansion, gefolgt von Konsolidierung oder Rückschlägen. Amazon, Apple oder Microsoft mögen heute als Erfolgsgeschichten erscheinen, doch jede dieser Aktien durchlief lange Phasen extremer Volatilität, zwischenzeitlicher Kurshalbierungen oder fundamentaler Zweifel. Wer diese Titel heute als „Aktien für die Ewigkeit“ präsentiert, ignoriert den historischen Kontext, die psychologischen Belastungen während der Krisen und das Unwissen darüber, ob diese Unternehmen auch in den kommenden Jahrzehnten ihre Marktstellung behaupten können. Auch Giganten können scheitern, das beweist die Geschichte mit bedrückender Regelmäßigkeit.

Eine langfristig erfolgreiche Anlagestrategie kann nicht auf der Annahme basieren, dass sich einzelne Unternehmen dauerhaft durchsetzen. Zu vielfältig sind die technologischen Brüche, regulatorischen Eingriffe und geopolitischen Verschiebungen, die selbst scheinbar stabile Geschäftsmodelle infrage stellen. Stattdessen ist es wesentlich sinnvoller, sich auf strukturelle Diversifikation, systematische Trendanalysen und risikoadjustierte Allokationsstrategien zu stützen. Wer breit gestreut investiert, regelmäßig überprüft und klare Regeln für Ein- und Ausstiege beachtet, schafft langfristig eine solide Grundlage für Vermögensaufbau, ohne sich auf Mythen verlassen zu müssen.

Der Begriff „Aktien für die Ewigkeit“ gehört ins Marketingrepertoire von Banken, Börsenbriefen und Influencern, die auf einfache Botschaften setzen. In der Realität jedoch existiert keine Aktie, deren Zukunft man mit solcher Sicherheit voraussagen könnte. Ewigkeitsaktien sind rückblickende Konstruktionen. Sie suggerieren eine Stabilität, die es in einem freien, wettbewerbsgetriebenen Markt nicht geben kann. Wer dies ignoriert, zahlt im Zweifel einen hohen Preis in Form verlorener Zeit, verpasster Chancen oder schleichender Vermögensverluste. Echte Ewigkeit kennt nur die Veränderung. Wer ihr mit System begegnet, investiert intelligenter.

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